Vorsteuerabzug bei der Ist-Versteuerung
Bestimmte Unternehmer und Freiberufler können bei der Umsatzsteuer die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten wählen. Das heißt, dass sie die Umsatzsteuer erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem sie die Zahlung erhalten haben, gegenüber dem Finanzamt erklären und zahlen müssen. Der Leistungsempfänger darf jedoch die Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, die ihm in Rechnung gestellt wurde. Auf den Zeitpunkt der Zahlung kommt es beim Vorsteuerabzug nicht an.
Praxis-Beispiel:
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erzielte Umsätze mit der Vermietung eines Gewerbegrundstücks. Die GbR hatte dieses Grundstück ihrerseits gemietet. Sowohl die GbR als auch ihre Vermieterin hatten wirksam auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichtet und somit zur Umsatzsteuer optiert. Beiden war es von der Finanzverwaltung gestattet worden, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Mit dem Mietvertrag verfügte die GbR über eine ordnungsgemäße Dauerrechnung. In den genannten Zahlungen waren jeweils 19% Umsatzsteuer enthalten. Die GbR machte ihren Vorsteuerabzugsanspruch aber unabhängig von dem Mietzeitraum, für den die Zahlungen bestimmt waren, immer in dem Voranmeldezeitraum bzw. Kalenderjahr geltend, in dem die Zahlung erfolgte.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Außenprüfung wurde dieses Vorgehen beanstandet. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass der Vorsteuerabzugsanspruch bereits mit der Ausführung des Umsatzes (hier der monatsweisen Überlassung des Grundstücks) entstanden sei und daher jeweils für den entsprechenden Zeitraum hätte geltend gemacht werden müssen. Da für einige Jahre bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten war, ließ das Finanzamt den Vorsteuerabzug, der auf die verjährten Jahre entfiel, nicht zum Abzug zu. Die GbR machte geltend, dass die berichtigten Bescheide gegen die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) verstießen.
Für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nach deutschem Recht ist es unerheblich, ob er seine Umsätze nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Entgelten versteuert. Der deutsche Gesetzgeber hat von der in Art. 167a der MwStSystRL vorgesehenen Möglichkeit, den Vorsteuerabzug bei Ist-Versteuerung von der Entrichtung des Entgelts abhängig zu machen, keinen Gebrauch gemacht. Das Finanzgericht Hamburg hat dem EuGH nunmehr die Frage vorgelegt, ob in diesem Fall das deutsche Recht mit Art. 167 MwStSystRL vereinbar ist.
Hinweis: Da es nach deutschem Umsatzsteuerrecht für den Vorsteuerabzug nicht auf den Zeitpunkt der Zahlung ankommt, ist allein darauf abzustellen, ob eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt. Das heißt, der Vorsteuerabzug muss unabhängig von der Zahlung geltend gemacht werden. Wie der EuGH entscheiden wird, spielt zurzeit keine Rolle.