Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz
Insbesondere bei längeren Laufzeiten stimmen die Werte von Rückstellungen in der Handelsbilanz nicht mit den Werten überein, die sich nach steuerlichen Vorgaben ergeben. In der Handelsbilanz sind die Rückstellungen mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen und in der Steuerbilanz mit dem Wert zum Bilanzstichtag. Außerdem werden die Rückstellungen handelsrechtlich mit einem anderen Zinssatz abgezinst als in der Steuerbilanz. Nach dem Prinzip der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz darf in der Steuerbilanz der handelsrechtliche Wert nicht überschritten werden.
Praxis-Beispiel:
Eine GmbH baut Rohstoffe ab und verwertet sie. Für die Verpflichtung zur Rekultivierung von Abbaugrundstücken bildete die GmbH in ihren Handels- und Steuerbilanzen Rückstellungen. Die Ansammlungsrückstellungen in der Handelsbilanz wurden mit 295.870 € ausgewiesen. Bei der Ermittlung wurden geschätzte Kostensteigerungen bis zum Erfüllungszeitpunkt einbezogen. Der auf diese Weise ermittelte Erfüllungsbetrag wurde mit einem Zinssatz von 4,94 % abgezinst. Steuerrechtlich erfolgte die Ermittlung ohne künftige Kostensteigerungen. Der ermittelte Verpflichtungsbetrag wurde entsprechend dem BMF-Schreiben vom 9.12.1999 (IV C 2 – S 2175 – 30/99) nicht abgezinst und betrug laut Steuerbilanz 330.685 €. Das Finanzamt korrigierte die Rückstellung in der Steuerbilanz um 34.815 € auf den niedrigeren Handelsbilanzwert von 295.870 €, weil ansonsten steuerrechtlich ein höherer Rückstellungsbetrag als in der Handelsbilanz ausgewiesen worden wäre.
Die Höhe einer Rückstellung in der Steuerbilanz darf den zulässigen Ansatz in der Handelsbilanz nicht überschreiten. Auch nach den Änderungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz gilt für Rückstellungen die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Müssen Rückstellungen in der Handelsbilanz zwingend gebildet werden, sind sie auch für die Steuerbilanz zu übernehmen, soweit steuerliche Regelungen dem nicht entgegenstehen.
Der Wortlaut der steuerlichen Regelung ist so zu verstehen, dass die handelsrechtliche Maßgeblichkeit für die Steuerbilanz zunächst besteht. Der Grundsatz wird nur dann und nur insoweit durchbrochen, als der Gesetzgeber steuerrechtliche Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte festgeschrieben hat. Da es im Beispielfall keine abweichenden Regelungen gibt, ist der niedrigere handelsrechtliche Bilanzansatz für die Steuerbilanz zu übernehmen.