Beschränkung für Verluste aus Aktienveräußerungen verfassungswidrig

Nach der derzeitigen Rechtslage dürfen Verluste aus der Veräußerung von Aktien nicht mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden, die nicht aus Aktienveräußerungen resultieren. Der BFH ist der Auffassung, dass diese gesetzliche Regelung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes nicht vereinbar ist und legt diese Frage deshalb dem BVerfG zur Entscheidung vor.

Praxis-Beispiel:
Die Eheleute wurden für das Jahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte neben freiberuflichen Einkünften Kapitalerträge in Höhe von 2.092 € sowie Verluste aus der Veräußerung von Aktien in Höhe von 4.819 €. Die Ehefrau erzielte ebenfalls Kapitalerträge in Höhe von 1.289 €. Unter den Kapitalerträgen der Eheleute befanden sich keine Aktienveräußerungsgewinne. Sämtliche Kapitalerträge hatten der Kapitalertragsteuer unterlegen. Das Finanzamt behandelte die Verluste aus der Veräußerung von Aktien gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG als nicht ausgleichsfähig. Im Rahmen eines Einspruchs beantragten die Eheleute, die von ihnen erzielten Kapitalerträge mit den Verlusten aus der Veräußerung von Aktien zu verrechnen. Einspruch und Klage wurden als unbegründet zurückgewiesen.

§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG behandelt Steuerpflichtige unterschiedlich, abhängig davon, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben. Für diese Ungleichbehandlung fehlt es aus der Sicht des BFH an einem hinreichenden rechtfertigenden Grund. Förderungs- oder Lenkungszwecke können hier als Grundlage für eine sachliche Rechtfertigung nicht in Betracht kommen.

Zwar kann aus der Gesetzesbegründung entnommen werden, dass Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit verhindert werden sollten. Das könnte grundsätzlich ein legitimer Grund für eine Durchbrechung des einkommensteuerrechtlichen Grundsatzes rechtfertigen, wonach Verluste eines Veranlagungszeitraums mit anderen vom Steuerpflichtigen erzielten positiven Einkünften nicht ausgeglichen werden können. Aber! Aufgrund der generellen Einbeziehung von Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien in die Steuerbarkeit unabhängig von einer Mindesthaltedauer kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung vom Gesetzgeber hinreichend auf diesen Zweck abgestimmt worden ist. Denn die Einschränkung der Verlustverrechnung betrifft sämtliche Fälle der Entstehung von Verlusten aus Aktienveräußerungen und damit auch Verluste aus der Veräußerung von langfristigen (nicht-spekulativen) Aktienanlagen.

Die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG ist, um Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit zu verhindern, zu eng gefasst. Nicht in die Verlustverrechnungsbeschränkung einbezogen sind nämlich solche Kapitalanlagen, die deutlich höhere Gewinnchancen und Verlustrisiken als Aktien beinhalten und sich deshalb besser für Spekulationszwecke eignen.

Fazit: Es wird einige Zeit vergehen, bis das BVerfG hierüber entscheidet. In der Zwischenzeit sollte gegen Steuerbescheide, die eine Verlustverrechnung nicht zulassen, Einspruch eingelegt und eine Aussetzung des Verfahrens beantragt werden. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Finanzverwaltung den Steuerbescheid insoweit mit einem Vorläufigkeitsvermerk versieht.

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