Schätzungsbefugnis bei nicht ordnungsgemäßer Kasse

Innerhalb eines Buchführungssystems sind die Buchungen und andere erforderliche Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen. Buchungen oder Aufzeichnungen dürfen nicht in einer Weise verändert werden, dass der usprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist.

Praxis-Beispiel:
Der Steuerpflichtige betrieb ein Sushi-Restaurant. Er bot Speisen nach zwei unterschiedlichen Speisekarten mit jeweils umfangreichem Speisenangebot an. Die Preise für die wesentlichen Hauptzutaten der angebotenen Speisen (Lachs, Thunfisch und Meeresfrüchte) unterlagen starken Schwankungen. Der Steuerpflichtige setzte eine elektronische Registrierkasse älterer Bauart ein. Sie verfügte über ein herstellereigenes Betriebssystem mit geschlossener Firmware. Auf ihr konnte der Steuerpflichtige die Journaldaten nicht speichern. Aufgrund begrenzter Speichermöglichkeiten wurden zunächst gespeicherte Daten überschrieben.
 

Der Steuerpflichtige bewahrte die von der Kasse am Ende des Geschäftstages ausgedruckten Tagesendsummenbons (Zero-Bons/Z-Bons) auf. Die von der Registrierkasse ebenfalls ausgedruckten Warengruppenberichte vernichtete er. Für unbare Kredit- und EC-Karten-Umsätze verfügte er über ein entsprechendes Kartenlesegerät. Im Kassensystem fand aber keine Trennung der baren von den unbaren Einnahmen statt. Sämtliche Einnahmen wurden daher als Bareinnahmen ausgewiesen. Der Steuerpflichtige erfasste die Tageseinnahmen in einem Kassenbuch, das er mittels eines Tabellenkalkulationsprogramms erstellte. Wegen dieser Beanstandungen schätzte das Finanzamt zusätzliche Betriebseinnahmen hinzu, indem es auf den Wareneinsatz des Steuerpflichtgen einen Rohgewinnaufschlagsatz von 250 % bzw. 270 % anwandte. Der Steuerpflichtige machte geltend, dass die Schätzung der Höhe nach unzutreffend sei. Das Finanzamt habe keinerlei logisch nachvollziehbare Gründe vorgetragen, weshalb die im Kassensystem gespeicherten Umsätze nicht vollständig sein sollten.

Das Finanzgericht hat entschieden, dass das Finanzamt im vorliegenden Fall vorliegend zu einer Schätzung berechtigt war. Auch die Höhe der vom Finanzamt vorgenommenen Hinzuschätzungen ist nicht zu beanstanden. Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung, zumal der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigte. Formelle Buchführungsmängel berechtigen zur einer Schätzung, wenn sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen.

Ein gravierender formeller Mangel liegt bereits darin, dass der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen mittels Tabellenkalkulationsprogramms führte, bei dem nachträgliche Veränderungen möglich waren, ohne dass diese festgehalten wurden. Eine Schätzung muss folgerichtig durchgeführt werden und den Umständen des Einzelfalles gerecht werden. Das Finanzamt hat seine Schätzung der Höhe nach an den gravierenden Kassenmängeln ausgerichtet, was zutreffend ist.

Nach der Schätzung des Finanzamts lagen die Rohgewinnaufschlagsätze unterhalb des mittleren Rohgewinnaufschlagsatzes bzw. knapp darüber. Der höchste der einschlägigen Reingewinnrichtsätze wurde nicht überschritten. Daher bestehen nach Überzeugung des Finanzgerichts keine Zweifel an der Richtigkeit der Schätzung. Das gilt umso mehr, als nach den Richtsatzsammlungen für den Rohgewinnaufschlag- bzw. Reingewinnsatz bei Restaurants mit asiatischem Speiseangebot die Sätze im oberen Bereich maßgeblich sind.

Fazit: Ohne ordnungsgemäße Buchführung und Kassenführung (insbesondere bei hohen Bareinnahmen) ist das Finanzamt regelmäßig zu einer Schätzung berechtigt. Es sollten daher die inzwischen verschärfen Anforderungen an eine Kassenführung unbedingt eingehalten werden.

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