Erbschaftsteuer: Einkommensteuer als Verbindlichkeit

Die vom Erblasser herrührenden Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren oder die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen noch begründet hat, sind Nachlassverbindlichkeiten. Steuerschulden können nicht abgezogen werden, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung darstellen. An der wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse nicht damit gerechnet werden kann, dass der Steuergläubiger seine Forderung geltend machen werde.

Ändern sich die Verhältnisse nachträglich in der Weise, dass entgegen der Erwartung zum Todeszeitpunkt mit einer Geltendmachung der Steuerforderung zu rechnen ist, ist dies ein Ereignis mit materiellrechtlicher Rückwirkung, sodass eine Änderung des Erbschaftsteuerbescheids möglich ist.

Praxis-Beispiel:
Der Erblasser war im Jahr 2007 verstorben. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegenüber der Erbin fest, deren Anteil bei insgesamt 5 Erben 25% betragen hat. Die Erbin erhielt einen Erbschaftsteuerbescheid über 77.066 €, der bestandskräftig wurde. In 2012 setzte das für die Einkommensteuer des Erblassers zuständige Finanzamt gegenüber der Erbin als Beteiligte der Erbengemeinschaft (bestehend aus allen fünf Miterben) Einkommensteuer, Zinsen und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2007 fest, die zu einem Nachzahlungsbetrag in Höhe von insgesamt 180.347,23 € führten.

Die Änderung des Einkommensteuerbescheids erfolgte ausweislich der Erläuterungen zur Festsetzung aufgrund einer Mitteilung des Finanzamts über die Einkünfte des Erblassers an der X KG, an der er beteiligt gewesen war. Der Bescheid für 2007 aus dem Jahr 2012 enthielt die Mitteilung „In den Einkünften enthaltener Sanierungsgewinn“ …). Die Erbin beantragte, ihren Erbschaftsteuerbescheid zu berichtigen, weil die Einkommensteuerschuld bisher nicht berücksichtigt wurde.

Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören laut BFH nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Steuerschulden können aber wie andere Nachlassverbindlichkeiten nur dann abgezogen werden, wenn sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben.

Der BFH stellte fest, dass keine Feststellungen zu der Frage getroffen wurden, mit welcher Einkommensteuerfestsetzung zum Todeszeitpunkt zu rechnen war und ob und ggf. wann sich insoweit später die Verhältnisse geändert haben könnten. Den vorliegenden Bescheiden ist lediglich zu entnehmen, dass später ein höherer laufender Gewinn bei der X KG zu berücksichtigen war und die Begünstigung eines Sanierungsgewinns nicht (mehr) stattfand. Zu den Hintergründen, namentlich zu der Frage, ob zum Todeszeitpunkt mit der Nichtbegünstigung eines Sanierungsgewinns zu rechnen war, ist nichts festgestellt.

Gegebenenfalls sind Vorauszahlungen von den Einkommensteuerschulden abzusetzen. Auch insoweit wären ggf. Feststellungen erforderlich. Ferner sind keine Tatsachen festgestellt, die es rechtfertigen könnten, die Einkommensteuerverbindlichkeit bei der Klägerin der Erbquote entgegen zu einem Drittel anzusetzen. Diese Feststellungen sind nachzuholen.

Fazit: Steuerschulden können nur dann abgezogen werden, wenn sie im Todeszeitpunkt eine wirtschaftliche Belastung dargestellt haben. Ist das der Fall und treten die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten erstmals nach dem Tode des Erblassers ein, handelt es sich um rückwirkende Ereignisse mit materiell-rechtlicher Rückwirkung, sodass eine Änderung des Erbschaftsteuerbescheids möglich ist. 

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